Um das in vierter Generation im Familienbesitz befindliche, denkmalgeschützte Gebäude zu erhalten und alle Flächen zu nutzen, ließen die überaus engagierten Bauherren nicht nur die Haustechnik erneuern und eine Brandschutzanlage installieren, sondern schufen sich im Dachstuhl eine wunderbare Wohnlandschaft.
Christian Brack ist Architekt und Modellbauer – das kommt ihm bei seinen Planungen zugute und hilft im Gespräch mit den Bauherren auch beim Veranschaulichen komplexer Raumsituationen. In diesem Fall fertigte er die zentrale Kombination aus Treppe und Heizkamin – er bezeichnet sie als „Raummöbel“ – zunächst en miniature aus Holz und Papier. Das Ergebnis überzeugte und bildet heute den Mittelpunkt eines sehr interessanten Projektes.Via Internet hatten ihn die Bauherren kontaktiert. Die auf seiner Website aufgeführten Referenzen gefielen und beim ersten Treffen vor Ort zeigte sich, dass auch die Chemie stimmte. Das Dachgeschoss präsentierte sich damals, so der Architekt, als „wahnsinnig großes, offenes Volumen“, von dem nur deutlich weniger als ein Viertel in Form von zwei Gästezimmern sowie einer Waschküche als separat nutzbare Bereiche ausgebaut waren. Konstruktiv war der Dachstuhl relativ schwach ausgelegt und keineswegs etwa für die heute im Wohnungsbau geltenden Anforderungen an Schneelasten, Wärmedämmung und Brandschutz vorbereitet.
Dachstuhl-Ausbau mit Statiker geplant
Mithilfe eines Statikers wurden die erforderlichen Maßnahmen erarbeitet. Vor die Pfetten montierte, anschließend mit Gipskarton verkleidete Stahlträger und dezent aufgeschraubte, haptisch an die alten Balken angeglichene Verstärkungshölzer fangen ebenso zusätzliche Lasten ab wie die im Boden zur Verspannung eingebrachten Stahlbänder. Vereinzeltes Reparieren und durchgängiges Aufdoppeln der Dachsparren um sechs Zentimeter schuf die fürs Dämmen mit Zelluloseflocken nötigen Voraussetzungen. Da einerseits möglichst viel Fensterfläche gewünscht war, es andererseits aber die Auflagen für das Einzeldenkmal zu beachten galt, fügte Christian Brack den Großteil der von Velux zugelieferten Dachflächenfenster in die Gebäuderückseite ein. Dort durfte er auch eine größere Gaube vor der Küche platzieren. Auf der Gartenseite stattete er den linken, bisher fensterlosen Dachabschnitt des Hauses mit zwei kleineren, formal dem Bestand angepassten Gauben aus. Raffiniert: Fünf neue Dachflächenfenster „verstecken“ sich überdies – von unten nicht sichtbar – hinter der Kuppel des kleinen Turmes, siehe auch die vorherige Doppelseite mit dem Blick von der Galerie auf den Esstisch.
Geschmackvoll ausgestattet
Erschlossen wird die Wohnung über den ehemaligen, umgebauten Hintereingang und den neuen Personenaufzug. Auch dieser ist denkmalgerecht geplant und beeinträchtigt dank seines verglasten Schachtes nicht das Außenbild. An selber Stelle war früher der Lastenaufzug angebracht, der jetzt als origineller Lampenhalter über dem Esstisch hängt. Das gute Stück wurde sorgfältig restauriert und wieder gangbar gemacht. Die großen Hängelampen lassen sich via Schienensystem und Teleskopauszug verschieben. Überhaupt gibt es viel zu sehen in diesem geschmackvoll ausgestatteten Domizil, aus jeder Perspektive ergeben sich spannende Aus- und Durchblicke, rücken gut gemachte Details und aufgearbeitete, im Haus gefundene Schätze in den Blickpunkt – etwa historische Sofas, Schränke und ein Hubertusgeweih. Und das Raumprogramm nebst Einliegerwohnung ist für die seit Kurzem fünfköpfige Familie ideal. Fotos und Texte: Bernhard Müller, Reutlingen