Die Bauherrenfamilie sah hier die Chance in einer gewachsenen Siedlung nahe des Stadtzentrums, der Kindergärten und Schulen, an einem sonnigen Südhang Wohnraum für die eigene Familie zu schaffen, der den heutigen Ansprüchen entspricht: Nachhaltig, auf hohem energetischen Standard, mit großzügig-hellen Räumen, ökologischen Materialien und beheizt allein durch einen Stückholzofen plus Sonnenenergie.
Als das Haus von Oma an die Enkelin weitergegeben wurde, hatte es weder Zentralheizung noch zentrale Wassererwärmung, die oberste Geschossdecke über dem EG war praktisch ungedämmt, die Fenster waren einfachverglast und die Außenwand bestand aus 30 Zentimeter dickem Bimsteinmauerwerk. Das Kellergeschoss – fatalerweise mit einer Lichte von nur 2,10 Meter – machte eine Wohnnutzung unmöglich, die Garage – für heutige Autos viel zu klein – und ein Heizöllagerraum (für die dezentralen Ölöfen in den Zimmern) auf Gartenebene, das war's.
Es war klar, dass das Haus heute nicht mehr den Wohnbedürfnissen einer vierköpfigen Familie entsprach: Haustechnik war praktisch nicht vorhanden, das Äußere entsprach dem Massengeschmack von 1960, die Räume waren spartanisch geschnitten. Und doch steckte und steckt immer noch graue Energie im Bestandsgebäude – ein Totalabriss würde weitere Energie verbrauchen, ein Neubau erneut Ressourcen.
Es entstand der Anspruch, das Haus so umzudenken, dass so viel Baumasse wie möglich erhalten bleibt, nur das Nötigste entfernt wird und davon ausgehend weitergebaut wird. Ausgebaute Baustoffe wurden teilweise weiterverwendet. Die Herausforderung bestand nun darin, im Fall eines Generationenwechsels wirtschaftlich darstellbar, verantwortungsvoll, nachhaltig und attraktiv weiter zu bauen und weiter zu verwenden, ohne neues Land zu verbrauchen und Boden weiter zu versiegeln.
Verantwortung bedeutet jedoch auch, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Baustoffe neu eingesetzt werden und welche energetische Leistungsfähigkeit das sanierte Haus haben wird. Woher kommen die neuen Baustoffe? Mit welchem Aufwand werden diese hergestellt? Wie können diese Baustoffe später weiterverwendet oder recycelt werden? Wie viel Energie wird das neue Haus im Betrieb verbrauchen? Welcher Energieträger kommt zum Einsatz? Mit welchem baulichen und finanziellem Aufwand wird welcher Standard erreicht?
Zielsetzung war KfW-Effizienzhaus 55
Nach den ersten Entwürfen und dem parallel dazu berechneten Energieeinsparnachweis wurde die Zielsetzung „KfW 55 Effizienzhaus“ formuliert. Darüber hinaus wurde bei jedem Baustoff die Frage nach dessen Recyclefähigkeit gestellt. Schaumkunststoff als Dämmmaterial wurde – vor allem bei der Außenwand – bewusst vermieden. Die konstruktive Entwurfsidee bestand dann darin, das Dach zu entfernen und die Deckenbalken zum Kaltdach zu belassen. Diese Balken wurden statisch mit einer neuen Brettsperrholzplatte verschraubt und bildeten nun eine freitragende neue Geschossdecke. Dies gab die Freiheit, die Räume neu zu arrangieren unter Berücksichtigung einiger weniger tragenden Spuren.
Einfach noch ein Geschoss draufgesetzt
Die neue Deckenscheibe steift das Gebäude gemeinsam mit einem verbundenen Ringanker aus und gab die Möglichkeit, ein weiteres Geschoss aufzumauern. Der Dachstuhl ist eine konventionelle zimmermannsmäßige Konstruktion mit mineralischer Zwischensparrendämmung und Aufdachdämmung aus Holzfaserplatten. Die Eindeckung besteht aus einem schwarzen Betondachstein, der mit der restlichen Gebäudehülle farblich abgestimmt ist.
Die neue sowie die Bestandsaußenwand wurden in einer durchgängigen Ebene mit 24 Zentimeter Steinwolle zweilagig zwischen Konstruktionshölzern gedämmt. Außenseitig wurde eine diffusionsoffene Winddichtbahn angebracht und fugenlos verklebt. Die Hülle besteht aus einer sägerauen vertikalen Lärchenschalung mit Lattung und Konterlattung. Der untere thermische Gebäudeabschluss ist die Decke zum Keller. Wegen der beschränkten baulichen Höhensituation war die Dämmstärke der Hohlkammerdecke limitiert. Oberseitig wurde der Hohlraum des Douglasie-Dielenbodens mit Zellulose ausgeflockt – unterseitig mit PUR Dämmung gedämmt.
Die Außenwände des Untergeschosses wurden mit einem mineralischen Wärmedämmverbundsystem versehen. Die Perimeterdämmung besteht aus einer Schaumdämmplatte aus 100 Prozent Recyclingglas. Die neuen Fenster sind dreifachverglast und mit einer prägenden Rahmenkonstruktion aus Lärchenholz gestaltet.
Erneuerbare Energien standen im Fokus
Reduktion auf das Notwendige war der Anspruch bei der Haustechnik. Beheizt wird mit einem Stückholzofen mit Wassertasche sowie solarer Unterstützung. Das Trinkwasser wird mit den Solarkollektoren und Ofen-Unterstützung erwärmt. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung unterstützt das energetische Konzept, reduziert die Lüftungswärmeverluste erheblich und gewährleistet in jedem Fall den Mindestluftwechsel zur Kondensatvermeidung.
Die Idee, mit einem Feuer im Ofen ein komplettes Haus zu beheizen und mit Warmwasser zu versorgen, entstand aus der Vorstellung vom Ferienhaus. Fernab von Arbeit oder Schule wollte die Bauherrenfamilie zu Hause „in den Ferien sein“. Und dieser Wunsch schloss eine Kamin-anlage eben mit ein. Diese auch als Hausheizung zu nutzen, macht u. a. die gute Gebäudehülle, die optimale Lage am Südhang und die Wärmerückgewinnung der Lüftungsanlage möglich.
Sensibe Materialauswahl – innen wie außen
Die vorherrschenden Materialien sind Lärche und Douglasie, im Innenraum hell, geseift und glatt, auf der Fassade schwarz und sägerau. Der Übergang von innen nach außen, die Fenster und deren Laibungsrahmen bestehen aus geölter europäische Lärche. Der Bestandsinnenputz wurde größtenteils erhalten und mit Kalkputz ergänzt und ausgebessert. Die neuen Außenwände im oberen Geschoss wurden mit Lehm von einer lokalen Abbaustelle geputzt. Der Kalkputz blieb größtenteils, der Lehm komplett ungetüncht. Die natürlichen Farben und Wolkungen sind erhalten geblieben.
Kalk verhindert durch seinen niedrigen PH-Wert die Schimmelbildung im Bestand, Lehm wirkt in Schlafräumen und Bad feuchteregulierend. Der Fussboden besteht aus massiven Douglasie-Dielen, verlegt auf Lagerhölzern. Auch Küche Bad und WC sind mit Dielen ausgelegt, lediglich im Eingangsbereich wurde ein Zementestrich eingebaut – nur geschliffen und gewachst, ganz ohne weiteren Belag
Die neuen Trennwände, vor allem im Erdgeschoss, sind als Holzständerwand auf dem fertigen Fußboden ausgeführt. Die Sichtschalung dieser Wände besteht aus geweißten Nut-Feder-Bretten und dabei glatt und sägerau gemischt. Diese Wände könnten im Bedarfsfall (Änderung der Familiensituation) auch leicht wieder ausgebaut werden.
Daten & Fakten
Kosten Grundstück und Altbau: 87 500 Euro
Wohnfläche: 210 m²
Nutzfläche Keller: 90 m²
Umbaukosten: 300 000 Euro brutto
Jahres-Endenergie-Bedarf: 62 kWh/m²,
Jahres-Primär-Energiebedarf: 27,10 kWh/m²
Öko-Systeme: Solare Brauchwassererwärmung und Heizungsunterstützung, bivalenter Schichtenspeicher 1000 l, Stückholzofen mit Wassertasche, kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung,
Bauherr, Architekt sowie Energieberater: Daniela und Thomas Pickert, www.pickert-architekten.de